Unternehmensjurist 06/2014

EINKAUFSVERTRÄGE MIT

 

OEM-, ODM- und EMS-LIEFERANTEN

 

 

 

In kaum einem Bereich der anwaltlichen Beratung für Unternehmen zeigen sich die Chancen und Risiken der Globalisierung so deutlich wie im Einkauf von produktbezogenen IT-Modulen und Komponenten. Wir stellen einige Vertragskonstruktionen vor.

 

 

 

Im Gegensatz zur Beschaffung des IT-Equipments für die eigenen Mitarbeiter im Unternehmen sind an die Einkaufsbedingungen für komplexere Module und Komponenten, welche in die eigenen Produkte eines Unternehmens integriert werden, erheblich höhere Anforderungen an Qualität und Verfügbarkeit sowie die Preisgestaltung zu stellen. Nahezu jedes Unternehmen in Deutschland muss sich an der einen oder anderen Stelle seiner Produktpalette dieser Herausforderung stellen. Die Fremdhardware und –software, die in den eigenen Produkten zum Einsatz kommt, kann zu den besten Konditionen bei den Volumenherstellern in Süd-Ost Asien bezogenen werden, welche je nach Umfang der Nachfrage ganze Produktionsketten auf die Bedürfnisse des Kunden ausrichten können.

 

 

 

Sie bringen die großen Volumen ihrer Komponenten in Markenprodukten für Verbraucher weltweit auf den Markt, sie agieren als spezialisierte Lieferanten von angepassten kundenspezifischen Lösungen für rein gewerbliche Produkte oder sogar nur als Endfertiger in Form einer reinen Dienstleistung nach Kundenvorgaben. Der Markt dieser als Electronic Manufacturing Service (EMS) bezeichneten Zulieferer wird von einer Handvoll Unternehmen wie Foxxcon, Flextronics und Celestica dominiert, die in der Spitze ein jährliches Umsatzvolumen von 20 bis zu 60 Mrd. Dollar ausweisen. Der Weltmarktanteil solcher Unternehmen beträgt in einigen Teilkomponenten (beispielsweise bei der Zulieferung von Mainboards) mehr als 75 Prozent (Quelle: Wikipedia).

 

 

 

Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, besteht die Herausforderung für die Unternehmen in Deutschland darin, sich unter den passenden Vertragsbedingungen den Möglichkeiten dieser Weltmarktanbieter zu bedienen. Hierbei gilt es zunächst die richtige Auswahl des Vertragskonstrukts zu treffen.

 

 

 

Vertrag mit Original Equipment Manufacturer (OEM)

 

Der klassische Einkaufsvertrag im Unternehmen, als reiner Kaufvertrag, bezieht sich auf die Beschaffung von Fremdprodukten nach einem Standard-Warenkorb des OEM. Dies sind im Regelfall IT-Zubehörteile und reine Handelsware, welche unverändert in das eigene Lösungsportfolio des Käufers integriert werden. Der OEM verzichtet lediglich auf die Kennzeichnung seiner Marke im Produkt des Käufers.

 

 

 

In diesen Verträgen ist zunächst die Verfügbarkeit der Produkte bis zum jeweiligen „End of Life“ zu beachten. Solche Ankündigungen müssen vom OEM mit ausreichendem Vorlauf mitgeteilt werden, damit beim Käufer die Produktion auf eine solche Umstellung reagieren kann und in ausreichendem Maße Restbestände eingekauft und Alternativprodukte evaluiert werden können. Wichtig ist hierbei insbesondere eine „Last Buy Option“ mit einer möglichst langen Laufzeit des Abrufs solcher Restbestände. Als Besonderheit des IT-Rechts sind hierbei aber auch die besonders kurzen Laufzeiten von Softwareständen/Versionen zu beachten. So nutzt eine lange Verfügbarkeit eines Restbestandes an Hardwareteilen nichts mehr, wenn in der Zwischenzeit die Firmware des Gesamtsystems hiermit nicht mehr kompatibel ist. Daher muss der OEM im Einkaufsvertrag die Kompatibilität seiner Produkte zu den in der Dokumentation angegebenen Plattformen auch eine gewisse Zeit über den Lebenszyklus hinaus sicherstellen.

 

 

 

Jede kleinste technische Änderung an den Liefergegenständen ist dem Käufer mit ausreichendem Vorlauf mitzuteilen. So kann schon die geringfügige Änderung in Abmessungen oder bei der Hitzeentwicklung eine erhebliche Kostenfolge in der weiteren geänderten Verwendung dieser Komponenten im eigenen Produkt des Käufers nach sich ziehen. Im Fokus sind hierbei vor allem Netzteile, bei denen möglichst geringe Kosten immer mit dem höchstmöglichen Maß an Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der CE-Zulassung, einher gehen müssen.

 

 

 

Besonderer Beachtung bedürfen auch spezialisierte Spartenhersteller, deren Produkte Alleinstellungsmerkmale auf dem Markt besitzen. Findet ein solcher OEM andere Abnehmer, sind vertraglich nicht ausreichend fixierte Einkaufskonditionen schnell verloren und das eigene Produkt am Markt gefährdet. Exklusivitätsvereinbarungen sind möglich, in diesem Bereich sind jedoch die kartellrechtlichen Vorgaben bezüglich Laufzeit und Marktbeherrschung zu beachten (siehe hierzu die Leitlinien der EU-Kommission für vertikale Beschränkungen). Umgekehrt fordern OEM häufig Abnahmeverpflichtungen; diese sollten genau auf Umfang, Laufzeit  und Verbindlichkeit geprüft werden.

 

 

 

Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung der Lieferanten von Steckern, Kabeln und Kleinbauteilen; ganze Produktsparten können davon abhängen, dass diese Teile verfügbar sind und somit in den Produkten des Käufers verbaut werden können. Im OEM-Vertrag sollten daher rechtliche Absicherungen getroffen werden, insbesondere im Bereich der weitergehenden Haftung für Serienfehler sowie durch langfristige Logistik-Modelle. Durch Übertragung der Herstellungsrechte kann im Falle des Ausfalls des OEM die eigene Produktion gesichert werden.

 

 

 

Bezüglich der weiteren Pflege der Software in den Liefergegenständen sind Software-Hinterlegungs-Vereinbarungen zu treffen, weiterhin ist zu regeln, dass die Nutzungsrechte für die Integration der Software in die eigenen Produkte ausreichen. Bei Software, die im eigenen Produkt im Zusammenhang mit Online-Verbindungen zum Internet zum Einsatz kommt, ist zudem ein erfolgreicher Penetration Test (Prüfung der typischen Angriff Szenarien) als Teil der Gewährleistung für die Komponente wichtig.

 

 

 

Schließlich muss der OEM die alleinige volle Verantwortung für die Freiheit von Rechtsmängeln an den Produkten übernehmen. Im Falle der Verletzung von Rechten Dritter hält er damit den Käufer von allen Ansprüchen dieser Dritten frei.

 

 

 

Vertrag mit Original Design Manufacturer (ODM)

 

Bietet ein Unternehmen eine auf den Auftraggeber zugeschnittene IT-Komponente an, für welche es wegen des Customizing auf den Käufer keine anderen Abnehmer finden kann, spricht man von einem Original Design Manufacturer; der ODM-Vertrag wird in Form eines Werklieferungsvertrages ausgestaltet. In der Geschäftsbeziehung kommt es zu einem umfangreichen Austausch und Aufbau von Know How zwischen ODM und Auftraggeber, welche durch eine ausreichende Regelung von Urheber-, Patent- und den jeweiligen Nutzungsrechten aufgefangen werden müssen.

 

 

 

Der ODM greift zunächst aus dem eigenen Produktbaukasten auf sein Hintergrundwissen zurück, welches für die spezielle IT-Komponente des Auftraggebers dann aber mit einem häufig erheblichen Anteil an Spezifikationen und technischen Besonderheiten des Auftraggebers ausgestattet wird. Der Auftraggeber muss sich im Rahmen der gemeinsamen Entwicklung dieser Spezialprodukte die ausschließlichen Nutzungsrechte an allen neu geschaffenen Patenten und Softwarebestandteilen vom ODM einräumen lassen. 

 

 

 

Vermieden werden sollte in jedem Fall die gemeinsame Anmeldung von IP-Rechten (insbesondere Patente), die nicht klar voneinander abgegrenzt wurden, da in der weiteren Verwendung dieser Teile (zum Beispiel in Weiterentwicklungen bei einem anderen Anbieter) die große Gefahr besteht, dass von dem ausgebooteten ODM Lizenzkosten für die weitere Verwendung seines Anteils an der IP geltend gemacht werden.

 

 

 

Weiterhin sind diese Spezifikationen und technischen Besonderheiten auch mit der Verpflichtung zur Vertraulichkeit hinsichtlich der in den Produkten enthaltenen Geschäftsgeheimnissen des Auftraggebers zu verknüpfen. Der Auftraggeber muss den ODM dazu verpflichten und auch überprüfen, dass dieses Wissen beim ODM ausschließlich für seinen Auftrag verwendet und nicht an andere Auftraggeber angeboten wird.

 

 

 

Bevor solche Produkte in die Serienfertigung beim ODM gehen, ist ein nachhaltiger Abnahmeprozess beim Aufraggeber zu durchlaufen, der auch die eigenen „Design to cost“-Faktoren für die eigene Produktion nicht aus den Augen verliert, um eine kontinuierliche Preisreduzierung für die Verwendung dieser Komponente in den eigenen Produkten sicher zu stellen.

 

 

 

Im Zuge des Customizing auf den Auftraggeber sind häufig alle erforderlichen Zertifizierungen und Zulassungen der Komponenten von dem ODM nochmals einzuholen. Hier ist die Verantwortlichkeit und Kostenfolge klar zu regeln. Da das endgültige Design der Komponente von den Vorgaben und Spezifikationen des Auftraggebers abhängt, lässt sich auf Anforderung des ODM meist nicht verhindern, dass insoweit der Auftraggeber auch die Verantwortung für die Freiheit von Rechten Dritter übernimmt.

 

 

 

Vertrag mit Electronic Manufacturing Service (EMS)

 

Beim EMS-Vertrag übernimmt der Auftragnehmer in Form einer gemischten Werk-und Dienstleistung lediglich die Aufgabe, alle vom Auftraggeber vorgegebenen Einzelteile von Drittlieferanten zu beschaffen und diese in einer Endfertigung zu einem fertigen Produkt für den Auftraggeber zusammenzufügen. Das gesamte Produkt bis zum kleinsten Kondensator unterliegt der Kontrolle des Auftraggebers; der Auftragnehmer steuert lediglich sein Produktions- und Fertigungswissen sowie seine flexiblen Produktionsresourcen bei. Alle Rechte an der IT-Komponente bis hin zur Teileliste liegen im ausschließlichen Eigentum des Auftraggebers.

 

 

 

Dieser ist es auch, der die Weiterentwicklung und jede Änderungen an dem eigenen Produkt kontrolliert. Eine umfangreiche Abnahme der Prototypen, die Fixierung von Fertigungsmuster und die Beistellung der passenden Werkzeuge sind obligatorische Bestandteile eines solchen Vertrages. Wie auch bei den beiden vorhergehenden Vertragstypen kann der Auftraggeber durch die Vereinbarung von zertifizierten Qualitätsstandards  für die Fertigung und Produktionsaudits auf eine Wareneingangskontrolle für solche IT-Komponenten verzichten und verfügt damit über eine flexibel einsetzbare ausgelagerte Werkbank beim EMS.

 

 

 

Dieser darf jedoch in dem Einkaufsvertrag, trotz der Kontrolle der Drittzulieferer durch den Auftraggeber, nicht aus der Verantwortung für die Gewährleistung sowie Zahlungs- und Lieferverzug bei den Drittlieferanten entlassen werden. Die Abwicklung dieser Prozesse muss beim EMS bleiben, um die einheitliche Verfügbarkeit und gleichbleibende Qualität der IT-Module sicher zu stellen.

 

 

 

Mit einer Zusatzvereinbarung sollte sich der Auftraggeber den direkten Durchgriff auf den Drittzulieferer offen halten, um bei Auftreten von Serienfehlern oder bei der Verletzung von Rechten Dritter möglichst schnell und aus eigenen Rechten reagieren zu können.

 

 

 

Zusammenfassung

 

Die Anforderungen an ein modernes IT-Lieferanten Management erfordert auch auf der Vertragsseite ein tiefes Verständnis der Möglichkeiten der Logistik, der Qualitätsanforderungen sowie der Entwicklungszusammenarbeit, um dem Einkäufer wirksame Werkzeuge für die Durchsetzung seiner Ansprüche an die Hand zu geben. Der passende Einkaufsvertrag bildet zudem für das gesamte Projektteam ein wichtiges Gerüst um in der Projektrealisierung immer wieder auf die vereinbarten Grundsätze und Regeln der Zusammenarbeit zurückgreifen zu können. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob auf dem Einkaufsvertrag im Titel der OEM-, ODM- oder EMS-Vertrag genannt wird, sondern dass das Vertragswerk die passenden Vertragsklauseln für alle potentiellen Konflikte enthält, diese bei Vertragsschluss bereits erschöpfend verhandelt wurden und durch ein ausgewogenes Verhandlungsergebnis zukünftige Rechtsstreitigkeiten der Parteien und die damit verbundenen Zusatzkosten vermieden werden können. Stefan Braun

 

 

 

KASTEN

 

OEM, ODM und EMS

 

Die folgenden Begrifflichkeiten gelten für den Bereich der IT Beschaffung im gewerblichen Sektor und können in anderen Handelsbeziehungen durchaus in einem anderen Zusammenhang Verwendung finden.

 

 

 

OEM = Original Equipment Manufacturer, Erstausrüster. Hierunter versteht man einen Hersteller, der seine eigenen Produkte nicht mit seinem eigenen Markennamen in den Handel bringt, sondernd diese Produkte einer Vielzahl von Abnehmern zum Vertrieb unter deren eigenen Markennamen zur Verfügung stellt.

 

 

 

ODM = Original Design Manufacturer, Auftragsfertiger. Hierunter versteht man ein Hersteller, der seine eigenen Produkte nach Kundenanforderungen anpasst und nur an diesen einen Abnehmer zum Vertrieb unter dessen eigenen Markennamen zur Verfügung stellt.

 

 

 

EMS = Electronic Manufacturing Service, Endmontage Service Anbieter. Hierunter versteht man einen Fertigungsdienstleister der ein fremdes Produkt des Abnehmers vollständig nach dessen Vorgaben beschafft, fertigt und nur diesem Abnehmer zum Vertrieb unter dessen eigenen Markennamen zur Verfügung stellt.

 

 

 

 

 

 

 

DER AUTOR

 

Stefan Braun ist als Legal Counsel und Fachanwalt für IT-Recht in der Konzern Rechtsabteilung von Wincor Nixdorf für die Verträge im Bereich des strategischen Einkaufs sowie der Vertriebsverträge mit Unternehmensgruppen im Einzelhandels- und Tankstellengewerbe zuständig. Wincor Nixdorf mit Sitz in Paderborn beschäftigt ca. 9.000 Mitarbeiter; das Unternehmen bietet weltweit IT-Lösungen und -Services für Retailbanken und Handelsunternehmen an.

 

 

 

LINKS

 

 

 

Leitlinien der EU-Kommission für vertikale Beschränkungen  http://europa.eu/legislation_summaries/other/l26061_de.htm

Kanzleianschrift

Rechtsanwalt Stefan Braun
Stuttgarter Straße 9

90579 Langenzenn

Kontakt

 nutzen Sie unser Kontaktformular.

Druckversion | Sitemap
© Rechtsanwalt Stefan Braun